Christian Beyer verliest vor Kaiser Karl V. die „Confessio Augustana“

Der 20. Artikel

Confessio Augustana
Das Augsburgische Bekenntnis (1530)


Lateinischer Text: Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche
(1930), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 50-137
Deutscher Text nach BSLK


Vom Glauben und guten Werken


Den Unseren wird mit Unwahrheit aufgelegt, daß sie gute Werke verbieten. Denn ihre Schriften über die Zehn Gebote und andere beweisen, daß sie von rechten christlichen Ständen und Werken einen guten nützlichen Bericht und Ermahnung hinterlassen haben, davon man vor dieser Zeit wenig gelehrt hat, sondern allermeist in allen Predigten zu kindischen, unnötigen Werken, wie Rosenkränze, Heiligendienst, Mönchwerden, Wallfahrten, Fasten, Feiertage, Bruderschaften etc. angetrieben hat. Solche unnötigen Werke rühmen auch unsere Gegner jetzt nicht mehr so sehr wie vorzeiten. Dazu haben sie auch gelernt, nun vom Glauben zu reden, von dem sie doch vorzeiten gar nichts gepredigt haben. Sie lehren denn nun, daß wir nicht allein aus Werken gerecht werden vor Gott, sondern setzen den Glauben an Christus hinzu und sprechen, daß Glaube und Werke uns vor Gott gerecht machen, welche Lehre etwas mehr Trost bringen mag, als wenn man allein lehrt, auf Werke zu vertrauen.
Weil nun die Lehre vom Glauben, die das Hauptstück im christlichen Wesen ist, lange Zeit – wie man bekennen muß – nicht betrieben worden ist, sondern überall allein die Lehre von den Werken gepredigt wurde, ist von den Unseren folgende Unterrichtung gegeben worden:
Erstlich, daß unsere Werke uns nicht mit Gott versöhnen und uns nicht Gnade erwerben können, sondern das geschieht allein durch den Glauben – wenn man nämlich glaubt, daß uns um Christi willen die Sünden vergeben werden, der allein der Mittler ist, um den Vater zu versöhnen. Wer nun meint, das durch Werke zu erreichen und dadurch Gnade zu verdienen, der verachtet Christus und sucht einen eigenen Weg zu Gott gegen das Evangelium.

Diese Lehre vom Glauben wird deutlich und klar bei Paulus vielerorts vertreten, besonders hier: „Aus Gnade seid ihr selig geworden durch den Glauben, und das nicht aus euch, sondern Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme“ (Eph 2,8) usw. Daß hierdurch von uns kein neues Verständnis des Glaubens eingeführt worden ist, kann man aus Augustinus beweisen, der diese Sache ausführlich behandelt und ebenfalls lehrt, daß wir durch den Glauben an Christus Gnade erlangen und vor Gott gerecht werden und nicht durch Werke, wie sein ganzes Buch „Über den Geist und den Buchstaben“ beweist.

Obwohl nun diese Lehre von unkundigen Leuten sehr verachtet wird, so zeigt sich doch, daß sie für schwache und erschrockene Gewissen sehr tröstlich und heilsam ist. Denn das Gewissen kann nicht zu Ruhe und Frieden kommen durch Werke, sondern allein durch Glauben, wenn es bei sich mit Gewißheit schließt, daß es um Christi willen einen gnädigen Gott hat, wie auch Paulus spricht Röm 5: „So wir durch den Glauben gerecht geworden sind, haben wir Ruhe und Frieden vor Gott.“
Diesen Trost hat man vorzeiten nicht getrieben in Predigten, sondern die armen Gewissen auf eigene Werke getrieben, und es sind mancherlei Werke hervorgekommen. Denn etliche hat das Gewissen in die Klöster getrieben in der Hoffnung, daselbst Gnade zu erwerben durch Klosterleben. Etliche haben andere Werke erdacht, um damit Gnade zu verdienen und für Sünde genugzutun. Von diesen haben viele erfahren, daß man dadurch nicht zum Frieden gekommen ist. Darum war es notwendig, diese Lehre vom Glauben an Christus zu predigen und fleißig zu treiben, daß man wisse, daß man allein durch Glauben, ohne Verdienst, Gottes Gnade ergreift. Es geschieht auch Unterricht, daß man hier nicht von solchem Glauben rede, den auch die Teufel und Gottlosen haben, die auch die Historien glauben, daß Christus gelitten habe und auferstanden sei von den Toten, sondern man redet von wahrem Glauben, der da glaubt, daß wir durch Christus Gnade und Vergebung der Sünde erlangen. Wer nun weiß, daß er einen gnädigen Gott durch Christus hat, kennt also Gott, ruft ihn an und ist nicht ohne Gott wie die Heiden. Denn Teufel und Gottlose glauben diesen Artikel, Vergebung der Sünde, nicht; darum sind sie Gott feind, können ihn nicht anrufen und nichts Gutes von ihm hoffen. Und also, wie jetzt angezeigt ist, redet die Schrift vom Glauben, und Glauben heißt nicht ein solches Wissen, das Teufel und gottlose Menschen haben. Denn also wird vom Glauben gelehrt in Hebr. 11, daß Glauben sei nicht allein die Historien zu wissen, sondern Zuversicht zu haben zu Gott, daß er uns gnädig sei, und heiße nicht allein solche Historien wissen, wie auch die Teufel wissen.

Ferner wird gelehrt, daß gute Werke geschehen sollen und müssen, aber nicht, daß man darauf vertraue, durch sie Gnade zu verdienen, sondern um Gottes willen und zu Gottes Lob. Der Glaube ergreift immer nur die Gnade und die Vergebung der Sünden; und weil durch den Glauben der Heilige Geist gegeben wird, darum wird auch das Herz erneuert, gute Werke zu tun. Denn zuvor ist es zu schwach, weil es ohne den Heiligen Geist ist; dazu befindet es sich in der Gewalt des Teufels, der die arme menschliche Natur zu vielen Sünden antreibt, wie wir es an den Philosophen sehen, die versucht haben, ehrlich und unsträflich zu leben; sie haben es aber dennoch nicht erreicht, sondern sind in viele große, offenkundige Sünden gefallen. So geht es mit dem Menschen, der ohne den rechten Glauben und ohne den Heiligen Geist lebt und sich allein aus eigener menschlicher Kraft regiert.
Deshalb ist diese Lehre vom Glauben nicht zu schelten, daß sie gute Werke verbiete, sondern vielmehr zu rühmen, daß sie lehre, gute Werke zu tun, und Hilfe anbiete, wie man zu guten Werken kommen möge. Denn außer dem Glauben und außerhalb von Christus sind menschliche Natur und Vermögen viel zu schwach, gute Werke zu tun, Gott anzurufen, Geduld zu haben im Leiden, den Nächsten zu lieben, befohlene Ämter fleißig auszurichten, gehorsam zu sein, böse Lust zu meiden usw. Solche hohen und rechten Werke können nicht geschehen ohne die Hilfe Christi, wie er selbst sagt Joh 15: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“



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