Confessio Augustana
Das Augsburgische Bekenntnis (1530)
Lateinischer Text: Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche
(1930), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 50-137
Deutscher Text nach BSLK
Vom Ehestand der Priester
Es ist bei jedermann, hohen und niederen Standes, eine große mächtige Klage in der Welt gewesen von großer Unzucht und wildem Wesen und Leben der Priester, die nicht vermochten, Keuschheit zu halten, und es war auch je mit solchen greulichen Lastern aufs Höchste gekommen. So viel häßliches großes Ärgernis, Ehebruch und andere Unzucht zu vermeiden, haben sich etliche Priester bei uns in den ehelichen Stand begeben. Dieselben zeigen diese Ursache an, daß sie dahin gedrungen und bewegt seien aus hoher Not ihrer Gewissen, nachdem die Schrift klar meldet, der eheliche Stand sei von Gott dem Herrn eingesetzt, Unzucht zu vermeiden, wie Paulus sagt: „Die Unzucht zu vermeiden habe ein jeglicher sein eigenes Eheweib“; ebenso: „Es ist besser, ehelich werden denn brennen.“ Und nachdem Christus sagt Matth. 19: „Sie fassen nicht alle das Wort“, da zeigt Christus an, welcher wohl gewußt, was am Menschen sei, daß wenige Leute die Gabe haben, keusch zu leben. „Denn Gott hat den Menschen als Mann und als Frau geschaffen“, Genesis 1.
Ob es nun in menschlicher Macht oder Vermögen sei, ohne besondere Gabe und Gnade Gottes, durch eigenes Vornehmen oder Gelübde, Gottes, der hohen Majestät, Geschöpf besser zu machen oder zu ändern, hat die Erfahrung allzu klar ergeben. Denn was an gutem, ehrbarem, züchtigem Leben, was an christlichem, ehrlichem oder redlichem Wandel bei vielen daraus erfolgt ist, wie greuliche, schreckliche Unruhe und Qual ihrer Gewissen deshalb viele an ihrem letzten Ende hatten, ist am Tag, und ihrer viele haben es selbst bekannt. So denn Gottes Wort und Gebot durch kein menschliches Gelübde oder Gesetz geändert werden mag, haben aus diesen und anderen Ursachen und Gründen die Priester und andere Geistliche Eheweiber genommen.
So ist es auch aus den Historien und der Väter Schriften zu beweisen, daß in der christlichen Kirchen vor alters her der Gebrauch gewesen, daß die Priester und Diakone Eheweiber hatten. Darum sagt Paulus 1. Tim. 3: „Es soll ein Bischof unsträflich sein, eines Weibes Mann.“ Es sind auch in deutschen Landen erst vor vierhundert Jahren die Priester zum Gelübde der Keuschheit vom Ehestand mit Gewalt abgehalten worden, welche sich dagegen sämtlich, auch so ganz ernstlich und hart gesetzt haben, daß ein Erzbischof zu Mainz, welcher das päpstliche neue Edikt deshalb verkündigt, gar nahe in einer Empörung der ganzen Priesterschaft in einem Gedränge umgebracht worden wäre. Und daßelbe Verbot ist bald im Anfange so geschwind und unschicklich vorgenommen, daß der Papst die Zeit nicht allein die künftige Ehe den Priestern verboten, sondern auch derjenigen Ehe zerrissen, die schon in dem Stand lang gewesen, was doch nicht allein gegen alle göttlichen, natürlichen und weltlichen Rechte ist, sondern auch gegen die kanonischen Rechte, die die Päpste selbst gemacht haben, und den berühmtesten Konzilien ganz entgegen und zuwider ist.
Auch ist bei vielen hohen, gottesfürchtigen, verständigen Leuten dergleichen Rede und Bedenken oft gehört worden, daß solcher erzwungener Zölibat und Beraubung des Ehestandes, welchen Gott selbst eingesetzt und frei gelassen, nie etwas Gutes, sondern viele große böse Laster und viel Arges eingeführt habe. Es hat auch einer von den Päpsten, Pius II., wie seine Historie anzeigt, diese Worte oft geredet und von sich schreiben lassen: Es möge wohl etliche Ursachen haben, warum den Geistlichen die Ehe verboten sei; es habe aber viele hohe, große und wichtige Ursachen, warum man ihnen die Ehe wieder frei lassen solle. Ohne Zweifel, es hat Papst Pius als ein verständiger, weiser Mann dies Wort aus großem Bedenken geredet.
Deshalb wollen wir uns in Untertänigkeit zu Kaiserlicher Majestät vertrösten, daß ihre Majestät als ein christlicher hochlöblicher Kaiser gnädig beherzigen werden, daß jetzt in letzten Zeiten und Tagen, von welchen die Schrift meldet, die Welt immer ärger und die Menschen gebrechlicher und schwächer werden. Deshalb ist es wohl hochnötig, nützlich und christlich, diese fleißige Einsehung zu tun, damit, wo der Ehestand verboten, nicht ärger und schändlicher Unzucht und Laster in deutschen Landen möchten einreißen. Dann es wird je diese Sachen niemand weiser oder besser ändern oder machen können als Gott selbst, welcher den Ehestand eingesetzt hat, um menschlicher Gebrechlichkeit zu helfen und Unzucht zu wehren. So sagen die alten Canones auch, man müsse zu Zeiten die Schärfe und Strenge lindern und nachlassen, um menschlicher Schwachheit willen und um Ärgeres zu verhüten und zu meiden. Nun wäre das in diesem Falle auch wohl christlich und ganz hoch vonnöten. Was kann auch der Ehestand der Priester und Geistlichen der allgemeinen christlichen Kirche nachteilig sein, besonders der Pfarrer und anderer, die der Kirche dienen sollen? Es wird wohl künftig an Priestern und Pfarrern mangeln, wenn dieses harte Verbot des Ehestands länger währen sollte.
So nun dieses, nämlich daß die Priester und Geistlichen mögen ehelich werden, gegründet ist auf das göttliche Wort und Gebot, dazu die Historien beweisen, daß die Priester ehelich gewesen sind, so auch das Gelübde der Keuschheit so viele häßliche, unchristliche Ärgernisse, so viel Ehebruch, schreckliche, unerhörte Unzucht und greuliche Laster angerichtet hat, daß auch etliche redliche unter den Tumbherren und auch etliche Kurtisanen zu Rom solches oft selbst bekannt und kläglich angeführt haben, wie solche Laster im Klerus zu greulich und übermächtig geworden sind, Gottes Zorn würde erregt werden, so ist es je erbärmlich, daß man den christlichen Ehestand nicht allein verboten, sondern an etlichen Orten aufs schnellste wie eine große Übeltat zu strafen unterstanden hat. Gott hat in der heiligen Schrift geboten, den Ehestand in allen Ehren zu halten.
So ist auch der Ehestand in kaiserlichen Rechten und in allen Monarchien, wo je Gesetze und Rechte gewesen, hoch gelobt. Allein zu dieser Zeit beginnt man die Leute unschuldig, allein um der Ehe willen, zu martern, und dazu Priester, die man vor anderen schonen sollte, und es geschieht nicht allein wider göttliches Recht, sondern auch wider die Canones. Paulus, der Apostel, 1. Tim. 4 nennt die Lehre, die die Ehe verbietet, Teufelslehre. So sagt Christus selbst Joh. 8, der Teufel sei ein Mörder von Anbeginn, welches dann wohl zusammenstimmt, daß es freilich Teufelslehre sein muß, die Ehe zu verbieten und sich zu unterstehen, solche Lehre mit Blutvergießen zu erhalten.
Wie aber kein menschliches Gesetz Gottes Gebot wegtun oder ändern kann, also kann auch kein Gelübde Gottes Gebot ändern. Darum gibt auch Sanct Cyprianus den Rat, daß die Weiber, die die gelobte Keuschheit nicht halten, ehelich werden sollen, und sagt Epist. 11 also: „Wenn sie aber Keuschheit nicht halten wollen oder nicht vermögen, dann ist es besser, daß sie ehelich werden, als daß sie durch ihre Lust ins Feuer fallen, und sollen sich wohl vorsehen, daß sie den Brüdern und Schwestern kein Ärgernis anrichten.“
Zudem, so gebrauchen auch alle Canones große Gelindigkeit und Billigkeit gegenüber denjenigen, die in der Jugend Gelübde getan haben, wie denn Priester und Mönche größtenteils in der Jugend aus Unwissenheit in solchen Stand gekommen sind.
- Inhaltsverzeichnis
- Der 1. Artikel
- Der 2. Artikel
- Der 3. Artikel
- Der 4. Artikel
- Der 5. Artikel
- Der 6. Artikel
- Der 7. Artikel
- Der 8. Artikel
- Der 9. Artikel
- Der 10. Artikel
- Der 11. Artikel
- Der 12. Artikel
- Der 13. Artikel
- Der 14. Artikel
- Der 15. Artikel
- Der 16. Artikel
- Der 17. Artikel
- Der 18. Artikel
- Der 19. Artikel
- Der 20. Artikel
- Der 21. Artikel
- Schluß des 1. Teils
- 2. Teil
- Der 22. Artikel
- Der 23. Artikel
- Der 24. Artikel
- Der 25. Artikel
- Der 26. Artikel
- Der 27. Artikel
- Der 28. Artikel
- Beschluß