Christian Beyer verliest vor Kaiser Karl V. die „Confessio Augustana“

Der 24. Artikel

Confessio Augustana
Das Augsburgische Bekenntnis (1530)


Lateinischer Text: Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche
(1930), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 50-137
Deutscher Text nach BSLK


Von der Messe


Man legt den Unsern mit Unrecht auf, daß sie die Messe abgetan haben sollen. Denn das ist offenbar, daß die Messe, ohne Ruhm zu reden, bei uns mit größerer Andacht und Ernst gehalten wird, als bei den Widersachern. So werden auch die Leute mit höchstem Fleiß des öfteren unterrichtet vom heiligen Sakrament, wozu es eingesetzt und wie es zu gebrauchen sei, als nämlich die erschrocken Gewissen damit zu trösten; dadurch wird das Volk zur Kommunion und Messe gezogen. Dabei geschieht auch Unterricht gegen andere unrechte Lehre vom Sakrament. So ist auch in den öffentlichen Zeremonien der Messe keine merkliche Änderung geschehen, als daß an etlichen Orten neben lateinischem Gesang deutsche Gesänge gesungen werden, um das Volk damit zu lehren und zu üben, zumal alle Zeremonien vornehmlich dazu dienen sollen, daß das Volk davon lerne, was ihm von Christus zu wissen not ist.

Nachdem aber die Messe auf mancherlei Weise vor dieser Zeit mißbraucht, wie am Tag ist, daß ein Jahrmarkt daraus gemacht worden ist, daß man sie gekauft und verkauft hat und daß sie zu größeren Teil in allen Kirchen um des Geldes willen gehalten worden ist, ist solcher Mißbrauch mehrmals, auch vor dieser Zeit, von gelehrten und frommen Leuten getadelt worden. Als nun die Prediger bei uns davon gepredigt haben und die Priester der schrecklichen Bedrohung erinnert worden sind, die dann billig einen jeden Christen bewegen soll, daß, wer das Sakrament unwürdig gebraucht, schuldig sei am Leib und Blut Christi: daraufhin sind solche Kauf- und Winkelmessen, welche bisher aus Zwang um Geldes und der Stifter willen gehalten wurden, in unseren Kirchen gefallen.

Dabei ist auch der greuliche Irrtum gestraft, daß man gelehrt hat, unser Herr Christus habe durch seinen Tod allein für die Erbsünde genuggetan und die Messe eingesetzt zu einem Opfer für die anderen Sünden, und also die Messe zu einem Opfer gemacht für die Lebendigen und Toten, um dadurch Sünde wegzunehmen und Gott zu versöhnen. Daraus ist weiter gefolgt, daß man disputiert hat, ob eine Messe, für viele gehalten, ebensoviel wert sei, wie wenn man für einen jeglichen eine besondere hielte. Daher ist die große unzählige Menge der Messen gekommen, daß man mit diesem Werk bei Gott alles hat erlangen wollen, dessen man bedurft hat, und daneben ist des Glaubens an Christum und rechten Gottesdienstes vergessen worden. Darum ist davon Unterricht geschehen, wie ohne Zweifel die Not gefordert hat, daß man wüßte, wie das Sakrament recht zu gebrauchen wäre. Und erstlich zeigt die Schrift an vielen Orten an, daß kein Opfer für Erbsünde und andere Sünden da sei als der einige Tod Christi. Denn so steht geschrieben in Hebr. 10,14, daß sich Christus einmal geopfert hat und dadurch für alle Sünden genug getan hat. Es ist eine gar unerhörte Neuerung in der Kirchenlehre, daß Christi Tod solle allein für die Erbsünde und sonst nicht auch für andere Sünden genuggetan haben; deshalb ist zu hoffen, daß jedermann verstehe, daß solcher Irrtum nicht unbillig gestraft sei.
Zum anderen, so lehrt Sankt Paulus, daß wir vor Gott Gnade erlangen durch Glauben und nicht durch Werke. Dagegen ist offensichtlich dieser Mißbrauch der Messe, wenn man meint, Gnade zu erlangen durch dieses Werk, wie man denn weiß, daß man die Messe dazu gebraucht, um dadurch Sünde abzulegen und Gnade und alle Güter bei Gott zu erlangen, nicht allein der Priester für sich, sondern auch für die ganze Welt und für andere, Lebendige und Tote.

Zum dritten, so ist das heilige Sakrament eingesetzt, nicht damit für die Sünde ein Opfer anzurichten, denn das Opfer ist zuvor geschehen, sondern daß unser Glaube dadurch erweckt und die Gewissen getröstet werden, welche durch das Sakrament vernehmen, daß ihnen Gnade und Vergebung der Sünde von Christus zugesagt ist. Deshalb fordert dies Sakrament Glauben und wird ohne Glauben vergeblich gebraucht.
Dieweil nun die Messe nicht ein Opfer ist für andere, Lebendige oder Tote, ihre Sünde wegzunehmen, sondern eine Kommunion sein soll, da der Priester und andere das Sakrament empfangen für sich, so wird diese Weise bei uns gehalten, daß man an Feiertagen und auch sonst, wenn Kommunikanten da sind, Messe hält und etliche, die es begehren, kommunizieren.
Also bleibt die Messe bei uns in ihrem rechten Brauch, wie sie vorzeiten in der Kirche gehalten wurde, wie man beweisen mag aus S. Paulus 1. Kor. 11, dazu auch aus vieler Väter Schriften. Denn Chrysostomus spricht, wie der Priester täglich stehe und fordere etliche zur Kommunion auf, etlichen verbiete er, hinzuzutreten. Auch zeigen die alten Canones an, daß einer das Amt gehalten hat und die anderen Priester und Diakone kommuniziert haben. Denn so lauten die Worte im canone Nicaeno: Die Diakone sollen nach den Priestern ordentlich das Sakrament empfangen vom Bischof oder Priester.
So man nun keine Neuigkeit hierin, die in der Kirche von alters her nicht gewesen ist, vernommen hat, auch in den öffentlichen Zeremonien der Messen keine merkliche Änderung geschehen ist, allein daß die anderen unnötigen Messen, die etwa durch einen Mißbrauch neben der Pfarrmesse gehalten wurden, gefallen sind, soll diese Weise, Messe zu halten, billig nicht als ketzerisch und unchristlich verdammt werden. Dann man hat vorzeiten auch in den großen Kirchen, da viel Volk gewesen, auch an den Tagen, an denen das Volk zusammen kam, nicht täglich Messe gehalten, wie die Tripartita Historia lib. 9 zeigt, daß man zu Alexandria am Mittwoch und Freitag die Schrift gelesen und ausgelegt habe, und sonst alle Gottesdienste gehalten habe ohne die Messe.



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