Christian Beyer verliest vor Kaiser Karl V. die „Confessio Augustana“

Der 27. Artikel

Confessio Augustana
Das Augsburgische Bekenntnis (1530)


Lateinischer Text: Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche
(1930), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 50-137
Deutscher Text nach BSLK


Von den Mönchsgelübden


Von Klostergelübden zu reden, ist notwendig, erstlich, um zu bedenken, wie es bisher damit gehalten wurde, welches Wesen in Klöstern gewesen ist und daß darin täglich sehr viel nicht allein gegen Gottes Wort, sondern auch päpstlichen Rechten entgegen gehandelt worden ist. Denn zu Sankt Augustins Zeiten sind die Klosterstände frei gewesen; danach, als die rechte Zucht und Lehre zerrüttet war, hat man Klostergelübde erdacht und damit eben als mit einem erdachten Gefängnis die Zucht wiederum aufrichten wollen. Dazu hat man neben den Klostergelübden viele andere Stücke hinzugefügt, und mit solchen Banden und Beschwernissen viele, auch bevor sie das nötige Alter erreicht hatten, beladen. So sind auch viele Personen aus Unwissenheit zu solchem Klosterleben gekommen, die, wiewohl sie sonst nicht zu jung gewesen sind, doch ihr Vermögen nicht genug ermessen noch verstanden haben. Dieselben alle, so verstrickt und verwickelt, sind gezwungen und gedrungen gewesen, in solchen Banden zu bleiben, ungeachtet dessen, daß auch das päpstliche Recht viele von ihnen freigibt. Das ist in Jungfrauenklöstern beschwerlicher gewesen als in Mönchsklostern, so es sich doch geziemt hätte, der Weibsbilder als der Schwachen zu verschonen. Dieselbe Strenge und Härte hat auch vielen frommen Leuten vorzeiten mißfallen, denn sie haben wohl gesehen, daß beide, Knaben und Mädchen, um des leiblichen Unterhalts willen in die Klöster gesteckt worden sind. Sie haben auch wohl gesehen, wie übel dasselbe Vornehmen geraten ist, welches Ärgernis und welche Beschwerung der Gewissen es gebracht hat, und viele Leute haben geklagt, daß man in solch gefährlicher Sache die Canones gar nicht geachtet hat. Zudem hat man eine solche Meinung von den Klostergelübden, die unverborgen auch vielen Mönchen mißfallen hat, die ein wenig Verstand hatten.
Dann sie gaben vor, daß Klostergelübde der Taufe gleich wären, und daß man mit dem Klosterleben Vergebung der Sünde und Rechtfertigung vor Gott verdiente.

Ja sie setzten noch mehr hinzu, daß man mit dem Klosterleben nicht allein Gerechtigkeit verdiente, sondern auch, daß man damit die Gebote und Räte hielte, die im Evangelium verfaßt sind. Also wurden die Klostergelübde höher gepriesen als die Taufe; ebenso daß man mehr verdiene mit dem Klosterleben als mit allen anderen Ständen, die von Gott geordnet sind, wie der Pfarrer- und Predigerstand, Obrigkeit-, Fürsten-, Herrenstand und dergleichen, die alle nach Gottes Gebot, Wort und Befehl ihrem Beruf ohne erdichtete Geistlichkeit dienen. Keines dieser Stücke kann geleugnet werden, denn man findet es in ihren eigenen Buchern.
Überdies, wer so gefangen und ins Kloster gekommen ist, lernt wenig von Christus. Früher hatte man in den Klöstern etwa Schulen der heiligen Schrift und anderer Künste, die der christlichen Kirche dienstlich sind, daß man aus den Klöstern Pfarrer und Bischöfe genommen hat. Jetzt aber hat es eine ganz andere Gestalt. Denn vorzeiten kamen sie im Klosterleben zusammen in der Meinung, daß man die Schrift lernt. Jetzt geben sie vor, das Klosterleben sei ein solches Wesen, daß man Gottes Gnade und Gerechtigkeit vor Gott damit verdiene, ja es sei ein Stand der Vollkommenheit; und ziehen es den anderen Ständen, die von Gott eingesetzt sind, weit vor. Das alles wird darum angeführt ohne alle Verunglimpfung, damit man besser vernehmen und verstehen möge, was und wie die Unseren lehren und predigen.
Erstlich lehren sie bei uns von denen, die zur Ehe greifen, so: daß alle die, so zum ledigen Stand nicht geschickt sind, Macht, Sieg und Recht haben, sich zu verehelichen. Denn die Gelübde vermögen nicht Gottes Ordnung und Gebot aufzuheben. Nun lautet Gottes Gebot also 1. Kor. 7: „Um der Hurerei willen habe ein jeglicher sein eigen Weib, und eine jegliche habe ihren eigenen Mann.“ Dazu dringt, zwingt und treibt nicht allein Gottes Gebot, sondern auch Gottes Schöpfung und Ordnung alle die zum Ehestand, die ohne besonderes Gotteswerk nicht mit der Gabe der Jungfrauschaft begnadet sind, laut dieses Spruches Gottes selbst, Gen. 2: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; wir wollen ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“

Was mag man nun dagegen aufbringen? Man rühme das Gelübde und die Pflicht, wie hoch man wolle, man werte es so hoch auf, wie man kann, so mag man dennoch nicht erzwingen, daß Gottes Gebot dadurch aufgehoben werde. Die Doktoren sagen, daß die Gelübde gegen des Papstes Recht nicht bindend sind; wie viel weniger sollen sie dann binden, Statt und Kraft haben gegen Gottes Gebot!
Wo die Pflicht der Gelübde keine anderen Ursachen hätte, daß sie aufgehoben werden möchte, so hätten die Päpste auch nicht dagegen dispensiert und erlaubt. Denn es gebührt keinem Menschen, die Pflicht, die aus göttlichen Rechten erwächst, zu zerreißen. Darum haben die Päpste wohl bedacht, daß in dieser Pflicht Billigkeit gebraucht werden soll, und haben öfters dispensiert, etwa bei einem König von Aragon und vielen anderen. So man nun zur Erhaltung zeitlicher Dinge dispensiert hat, soll viel billiger dispensiert werden um der Not der Seelen willen.
Ferner, warum übertreiben die Gegner so hart, daß man die Gelübde halten muß, und sieht nicht zuvor an, ob das Gelübde seine Art habe? Denn das Gelübde soll in möglichen Sachen willig und ungezwungen sein. Wie aber die ewige Keuschheit in des Menschen Gewalt und Vermögen stehe, weiß man wohl; auch sind wenige, beide Mannes- und Weibespersonen, die von ihnen selbst, willig und wohlbedacht das Klostergelübde getan haben. Ehe sie zum rechten Verstand kommen, überredet man sie zum Klostergelübde; zuweilen werden sie auch dazu gezwungen und gedrängt. Darum ist es je nicht billig, daß man so schnell und hart von der Gelübde Pflicht disputiere, angesichts dessen, daß sie alle bekennen, daß solches gegen die Natur und die Art des Gelübdes ist, daß es nicht willig und mit gutem Rat und Bedacht gelobt wird.
Etliche Canones und päpstlichen Rechte zerreißen die Gelübde, die unter fünfzehn Jahren geschehen sind. Denn sie halten dafür, daß man vor derselben Zeit so viel Verstand nicht hat, daß man die Ordnung des ganzen Lebens, wie dasselbe anzustellen sei, beschließen könne.

Ein anderer Kanon gibt der menschlichen Schwachheit noch mehr Jahre zu, denn er verbietet, das Klostergelübde unter achtzehn Jahren zu tun. Daraus hat der meiste Teil Entschuldigung und Grund, aus den Klöstern zu gehen, denn sie sind größtenteils in der Kindheit vor diesen Jahren ins Kloster gekommen. Endlich, wenngleich das Brechen des Klostergelübdes getadelt werden möchte, so konnte aber daraus nicht folgen, daß man die Ehe derselben Personen zerreißen sollte. Dann Sankt Augustin sagt 27. quaest. I, cap. Nuptiarum, daß man solche Ehe nicht zerreißen soll. Nun ist ja Sankt Augustin in der christlichen Kirche in nicht geringem Ansehen, obgleich etliche es hernach anders gehalten haben.
Wiewohl nun Gottes Gebot von dem Ehestande sehr viele vom Klostergelübde frei und ledig macht, so bringen doch die Unseren noch mehr Gründe vor, daß Klostergelübde nichtig und nicht bindend seien. Dann aller Gottesdienst, der von den Menschen ohne Gottes Gebot und Befehl eingesetzt und erwählt ist, um Gerechtigkeit und Gottes Gnade zu erlangen, ist gegen Gott und das Evangelium und Gottes Befehl entgegen; wie dann Christus selbst sagt Matth. 15: „Sie dienen mir vergeblich mit Menschengeboten.“ So lehrt es auch Sankt Paulus überall, daß man Gerechtigkeit nicht suchen soll aus unseren Geboten und Gottesdiensten, die von Menschen erdichtet sind, sondern daß die Gerechtigkeit vor Gott aus dem Glauben und Vertrauen kommt, daß wir glauben, daß uns Gott um seines einigen Sohnes Christus willen in Gnaden annimmt. Nun ist es ja am Tage, daß die Mönche gelehrt und gepredigt haben, daß die erdachte Geistlichkeit genugtue für die Sünde und Gottes Gnade und Gerechtigkeit erlange. Was ist nun das anders, als die Herrlichkeit und den Preis der Gnade Christi zu vermindern und die Gerechtigkeit des Glaubens zu verleugnen? Darum folgt aus dem, daß solche gewöhnlichen Gelübde unrechte, falsche Gottesdienste gewesen sind. Deshalb sind sie auch nicht bindend. Denn ein gottloses Gelübde, das gegen Gottes Gebot geschehen ist, ist nicht binden und nichtig; wie auch die Canones lehren, daß der Eid nicht soll ein Band zur Sünde sein.

Sankt Paulus sagt zu den Galatern 5.: „Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerechtfertigt werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen.“ Deshalb haben auch die, die durch Gelübde gerechtfertigt werden wollen, Christus verloren und sind aus der Gnade Gottes gefallen. Denn dieselben rauben Christus seine Ehre, der allein gerecht macht, und geben solche Ehre ihren Gelübden und Klosterleben. Man kann auch nicht leugnen, daß die Mönche gelehrt und gepredigt haben, daß sie durch ihre Gelübde und ihr Klosterwesen gerecht werden und Vergebung der Sünden verdienen; ja sie haben noch ungeschicktere und ungereimtere Dinge erdichtet und gesagt, daß sie ihre guten Werke den anderen mitteilten. Wenn nun einer dies alles wollte unglimpflich treiben und aufwerten, wie viele Stücke könnte er zusammenbringen, deren sich die Mönche auch selbst schämen und die sie nicht getan haben wollen! Über das alles haben sie auch die Leute davon überredet, daß die erdichteten geistlichen Orden Stände christlicher Vollkommenheit seien. Dies heißt ja, die Werke zu rühmen, daß man durch sie gerecht werde. Nun ist es ein nicht geringes Ärgernis in der christlichen Kirche, daß man dem Volk einen solchen Gottesdienst vorträgt, den die Menschen ohne Gottes Gebot erdichtet haben und lehren, daß ein solcher Gottesdienst die Menschen vor Gott fromm und gerecht mache. Denn die Gerechtigkeit des Glaubens, die man am meisten in der christlichen Kirchen treiben soll, wird verdunkelt, wenn den Leuten die Augen aufgesperrt werden mit dieser seltsamen Engelsgeistlichkeit und falschem Vorgeben der Armut, Demut und Keuschheit. Über das werden auch die Gebote Gottes und der rechte und wahre Gottesdienst dadurch verdunkelt, wenn die Leute hören, daß allein die Mönche im Stand der Vollkommenheit sein sollen. Denn die christliche Vollkommenheit ist, daß man Gott von Herzen und mit Ernst fürchtet, und doch auch eine herzliche Zuversicht und Glauben, auch Vertrauen faßt, daß wir um Christi willen einen gnädigen, barmherzigen Gott haben, daß wir bitten und begehren mögen und sollen, was uns not ist, und Hilfe von ihm in allen Trübsalen nach eines jeden Beruf und Stand gewißlich erwarten, daß wir auch indes sollen äußerlich mit Fleiß gute Werke tun und unsers Berufs warten.

Darin stehet die rechte Vollkommenheit und der rechte Gottesdienst, nicht im Betteln oder in einer schwarzen oder grauen Kappe. Aber das gewöhnliche Volk faßt viel schädlicher Meinung aus falschem Lob des Klosterlebens, wenn es hört, daß man den Ledigenstand ohne Maßen lobt. Den daraus folgt, daß es mit beschwertem Gewissen im Ehestand ist. Wenn der gemeine Mann hört, daß allein die Bettler vollkommen sein sollen, kann er nicht wissen, daß er ohne Sünde Güter haben und damit umgehen möge. Wenn das Volk hört, es sei nur ein Rat, nicht Rache zu üben, folgt, daß etliche meinen, es sei nicht Sünde, außerhalb des Amts Rache zu üben. Etliche meinen, Rache gezieme den Christen gar nicht, auch nicht der Obrigkeit.
Man liest auch viele Beispiele, daß etliche Frau und Kind und auch ihr öffentliches Amt verlassen und sich ins Kloster gesteckt haben. Dasselbe, haben sie gesagt, heißt aus der Welt fliehen und ein solches Leben suchen, das Gott mehr gefällt als der anderen Leben. Sie haben auch nicht wissen können, daß man Gott dienen soll in den Geboten, die er gegeben hat, und nicht in den Geboten, die von Menschen erdichtet sind. Nun ist jeweils das ein guter und vollkommener Stand des Lebens, welcher Gottes Gebot für sich hat; das aber ist ein gefährlicher Stand des Lebens, der Gottes Gebot nicht für sich hat. Von solchen Sachen ist vonnöten gewesen die Leute zu ermahnen.
Es hat auch Gerson vorzeiten den Irrtum der Mönche von der Vollkommenheit gestraft und er zeigt an, daß zu seiner Zeit dieses eine neue Rede gewesen sei, daß das Klosterleben ein Stand der Vollkommenheit sein soll.
So viele gottlose Meinungen hängen an den Klostergelübden: daß sie rechtfertigen und vor Gott fromm machen sollen, daß sie die christliche Vollkommenheit sein sollen, daß man damit beide, des Evangeliums Rat und Gebot, halte, daß sie Werke im Übermaß haben, die man Gott nicht schuldig sei. Weil denn solches alles falsch, eitel und erdichtet ist, macht es auch die Klostergelübde nichtig und nicht bindend



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