Apostel Paulus von Bartolomeo Montagna 1482

Der Apostel Paulus

Der heilige Paulus, ursprünglich bekannt als Saulus, war ein Jude aus dem Stamm Benjamin und römischer Bürger, geboren in der Stadt Tarsus in der römischen Provinz Kilikien, im heutigen Gebiet der Türkei, irgendwann zwischen 5 und 10 n. Chr. Saulus war ein eifriger Verfechter seines jüdischen Glaubens und seiner Traditionen, und gerade diese Hingabe brachte ihn in direkten Konflikt mit den Anhängern Christi und der frühen Kirche.

Das erste Mal begegnen wir Saulus in der Bibel beim Märtyrertod des heiligen Stephanus, des ersten Christen, der wegen seines Glaubens hingerichtet wurde, etwa um 34–36 n. Chr. Stephanus hatte leidenschaftlich mit Juden debattiert, möglicherweise auch mit Saulus. Die Schrift berichtet, dass Stephanus mit „denen aus Kilikien und Asien“ stritt (Apostelgeschichte 6,9). Nachdem Stephanus wegen Gotteslästerung angeklagt und vor den Sanhedrin gebracht wurde, hielt er eine eindrucksvolle Rede, die Christus als die Erfüllung des Gesetzes Moses darstellte. Daraufhin wurde er gesteinigt, und Saulus war anwesend: „Die Zeugen legten ihre Kleider ab zu den Füßen eines jungen Mannes, der Saulus hieß“ (Apostelgeschichte 7,58). Saulus war nicht nur dabei, er billigte auch die Hinrichtung von Stephanus und wurde danach zu einem der erbittertsten Verfolger der frühen Christen (Apostelgeschichte 8,1-3).

Doch Saulus‘ Weg sollte sich grundlegend ändern. Während er „noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn schnaubte“ (Apostelgeschichte 9,1, Lutherbibel 1912) und auf dem Weg nach Damaskus war, um Christen zu verhaften und nach Jerusalem zu bringen, begegnete er dem auferstandenen Christus. Ein helles Licht blendete ihn, und er hörte die Stimme Jesu: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ (Apostelgeschichte 9,4). Christus befahl ihm, in die Stadt zu gehen, obwohl er durch das Licht vorübergehend erblindet war. Es ist bemerkenswert, dass in dieser Begegnung Jesus Saulus nicht in „Paulus“ umbenannte. Das Buch der Apostelgeschichte wechselt später einfach von „Saulus“ zu „Paulus“ in Apostelgeschichte 13,9, was darauf hinweist, dass Paulus wahrscheinlich immer beide Namen trug – „Paulus“ als lateinischen Namen, der „klein“ bedeutet.

Gleichzeitig erhielt ein christlicher Mann namens Ananias von Jesus den Auftrag, Saulus zu finden. Obwohl Ananias zunächst zögerte, aufgrund des furchteinflößenden Rufs von Saulus, überzeugte Jesus ihn mit den Worten: „Geh hin; denn dieser ist mir ein auserwähltes Rüstzeug, dass er meinen Namen trage vor den Heiden und vor den Königen und vor den Kindern von Israel. Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen“ (Apostelgeschichte 9,15-16, Lutherbibel 1912). Ananias fand Saulus, heilte ihn von seiner Blindheit, und Saulus ließ sich sofort taufen – er war nun Paulus, ein Apostel Christi.

Nach seiner Bekehrung begann Paulus, das Evangelium in den Synagogen von Damaskus und Jerusalem zu verkünden. Seine plötzliche und öffentliche Bekehrung machte ihn jedoch zu einem Ziel für seine ehemaligen Verbündeten, die ihn nun töten wollten. Um ihn zu schützen, wurde Paulus nach Tarsus geschickt, wo er mehrere Jahre blieb. Um 46 n. Chr. begab er sich mit dem Missionar Barnabas nach Antiochia, wo sie gemeinsam ein Jahr lang lehrten. Danach kehrten sie nach Jerusalem zurück, um den Christen, die unter einer Hungersnot litten, Hilfe zu bringen (Apostelgeschichte 11,25-30).

Von Jerusalem aus startete Paulus seine erste Missionsreise zu den Heiden, die ihn nach Zypern und Galatien führte. Später reiste er durch Südosteuropa und den Nahen Osten, nach Griechenland, Ephesus, Korinth, Jerusalem und schließlich Rom, wobei er unterwegs auf Malta Schiffbruch erlitt. Neben seinen Reisen und Missionsaktivitäten war Paulus auch auf dem Apostelkonzil in Jerusalem aktiv, wo er mit Barnabas gegen die Forderung stritt, dass Heiden, die zum Christentum konvertierten, die jüdischen Zeremonialgesetze einhalten müssten. Paulus argumentierte, dass die Christen durch Jesus gerettet würden, nicht durch die Einhaltung des Gesetzes (Apostelgeschichte 15).

Trotz seines anstrengenden Lebens als Missionar war Paulus auch ein produktiver Autor. Er schrieb zahlreiche Briefe an junge Gemeinden im gesamten Mittelmeerraum. Die genaue Datierung seiner Briefe ist umstritten, aber viele Gelehrte halten Galater oder 1. Thessalonicher für seinen frühesten Brief. Obwohl einige moderne Gelehrte behaupten, dass Paulus nicht alle diese Briefe geschrieben habe, bleibt die lutherische Kirche standhaft in der Überzeugung von der Autorschaft, Irrtumslosigkeit und Autorität von Paulus‘ Schriften, die eine große Klarheit der Lehre und einen Trost des Gewissens bieten, ähnlich wie sie es 1500 Jahre später für Martin Luther taten.

Paulus war oft wegen seines Glaubens im Gefängnis. Als er um 60 n. Chr. in Rom ankam, wurde er unter Hausarrest gestellt (Apostelgeschichte 28,16). Die Schrift berichtet nicht weiter über sein Schicksal, aber Clemens von Rom und andere frühe christliche Schriftsteller sagen, dass Paulus als Märtyrer starb. Da er römischer Bürger war, wurde er wahrscheinlich durch Enthauptung hingerichtet, was zu dieser Zeit die humanste Form der Hinrichtung für römische Bürger war. Der grausame Kaiser Nero, der Verfolger der Christen, ist der Herrscher, an den Paulus in Apostelgeschichte 25,1-12 appellierte, und der frühe Kirchenhistoriker Eusebius berichtet, dass Paulus während Neros Verfolgung der Christen nach dem großen Brand von Rom, wahrscheinlich um 64 n. Chr., hingerichtet wurde.

Die Geschichte des heiligen Paulus beginnt mit dem Tod eines Christen und endet auch mit einem solchen. Aus Saulus, dem Verfolger der Christen, wurde der heilige Paulus, der das Evangelium in die Welt der Heiden brachte – und damit indirekt auch zu den meisten von uns heutigen Christen.

Daten des Textes

1. Geburt von Saulus (Paulus):

  • Daten: Saulus wurde zwischen 5 und 10 n. Chr. geboren.
  • Ort: Tarsus, in der römischen Provinz Kilikien (heutige Türkei).
  • Kommentar: Diese Angabe basiert auf der Vermutung, dass Paulus etwa zur gleichen Zeit wie Jesus oder einige Jahre später geboren wurde.

2. Märtyrertod des Stephanus:

  • Daten: Der Tod des Stephanus wird etwa auf 34–36 n. Chr. datiert.
  • Kommentar: Diese Zeitangabe passt gut zu den historischen Rahmenbedingungen und der Beschreibung in der Apostelgeschichte.

3. Bekehrung des Saulus:

  • Daten: Die Bekehrung von Saulus wird oft auf etwa 34–36 n. Chr. geschätzt, kurz nach dem Tod des Stephanus.
  • Kommentar: Dies entspricht den biblischen Berichten und historischen Schätzungen.

4. Paulus in Antiochia und erste Missionsreise:

  • Daten: Um 46 n. Chr. reiste Paulus nach Antiochia, wo er ein Jahr lang lehrte, bevor er auf seine erste Missionsreise ging.
  • Kommentar: Diese Daten sind historisch nachvollziehbar, da sie im Einklang mit der Chronologie der Apostelgeschichte stehen.

5. Apostelkonzil in Jerusalem:

  • Daten: Das Apostelkonzil in Jerusalem fand um 48–50 n. Chr. statt.
  • Kommentar: Diese Zeitangabe spiegelt die Debatten über die Aufnahme von Heiden in die Kirche wider.

6. Inhaftierung in Rom:

  • Daten: Paulus kam um 60 n. Chr. nach Rom, wo er unter Hausarrest gestellt wurde.
  • Kommentar: Diese Angabe stimmt mit der biblischen Chronologie überein, wie sie in Apostelgeschichte 28 beschrieben ist.

7. Tod des Paulus:

  • Daten: Paulus starb wahrscheinlich um 64–67 n. Chr., während der Verfolgung durch Kaiser Nero.
  • Kommentar: Die meisten Historiker und frühen Kirchenväter stimmen darin überein, dass Paulus während dieser Zeit als Märtyrer in Rom starb.

Welche Bedeutung hat Paulus für den evangelisch-lutherischen Glauben?

Paulus spielt eine zentrale Rolle in der lutherischen Theologie, da viele der Kernlehren und theologischen Prinzipien Martin Luthers auf den Schriften des Apostels Paulus beruhen. Hier sind einige der wichtigsten Aspekte, in denen Paulus für die lutherische Theologie von Bedeutung ist:

1. Rechtfertigung durch den Glauben:

  • Bedeutung: Die paulinische Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben allein (sola fide) ist das Herzstück der lutherischen Theologie. Paulus betont in seinen Briefen, insbesondere im Römerbrief (Römer 1,17 und Römer 3,28), dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes, sondern allein durch den Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt wird. Diese Lehre war der Auslöser für Luthers Bruch mit der katholischen Kirche und steht im Zentrum der Reformation.
  • Zitat: „So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“ (Römer 3,28, Lutherbibel 1912).

2. Die Bedeutung des Gesetzes und des Evangeliums:

  • Bedeutung: Paulus‘ Unterscheidung zwischen dem Gesetz, das die Sünde aufdeckt, und dem Evangelium, das die Rettung bringt, ist ein weiterer wichtiger Aspekt der lutherischen Theologie. Luther betonte, dass das Gesetz die Menschen ihrer Sünde überführt, während das Evangelium ihnen die Gnade Gottes durch Christus anbietet.
  • Paulus‘ Einfluss: In Briefen wie dem Galaterbrief (Galater 3,19-24) erklärt Paulus die Funktion des Gesetzes und die Überlegenheit des Glaubens an Christus. Diese Lehre beeinflusste Luthers Verständnis von der Rolle des Gesetzes im Leben des Christen und der Kirche.

3. Freiheit des Christen:

  • Bedeutung: Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ ist stark von Paulus‘ Lehren inspiriert. Paulus betont, dass der Christ durch den Glauben frei ist von der Sklaverei des Gesetzes, jedoch zugleich durch die Liebe an seinen Nächsten gebunden ist.
  • Zitat: „Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen; allein sehet zu, daß ihr durch die Freiheit nicht dem Fleisch Raum gebet, sondern durch die Liebe diene einer dem andern“ (Galater 5,13, Lutherbibel 1912).

4. Theologie des Kreuzes:

  • Bedeutung: Paulus‘ Lehre vom Kreuz als der zentralen Offenbarung von Gottes Weisheit und Macht (1. Korinther 1,18-25) ist ein weiterer Grundstein der lutherischen Theologie. Luther übernahm diese Sichtweise und betonte, dass Gottes wahre Macht und Weisheit in der Schwachheit und im Leiden Christi am Kreuz offenbart wird.
  • Paulus‘ Einfluss: Diese „Theologie des Kreuzes“ widerspricht der menschlichen Weisheit und ist ein zentraler Aspekt von Luthers Kritik an der mittelalterlichen Kirchenlehre, die er als zu sehr auf menschliche Leistungen und Erfolge ausgerichtet sah.

5. Priestertum aller Gläubigen:

  • Bedeutung: Paulus betont in seinen Briefen, dass alle Gläubigen durch den Glauben in Christus zu Priestern gemacht werden (1. Petrus 2,9, allerdings ein paulinisches Prinzip). Diese Idee, dass jeder Christ direkten Zugang zu Gott hat und keine priesterliche Vermittlung braucht, war für Luther entscheidend und führte zur Ablehnung des römisch-katholischen Priesterstandes in seiner bisherigen Form.
  • Lutherische Praxis: Diese Lehre unterstreicht die Bedeutung von Laien in der lutherischen Kirche und die Betonung des allgemeinen Priestertums aller Gläubigen.

6. Paulus als Vorbild für das Leben im Glauben:

  • Bedeutung: Luther sah in Paulus nicht nur einen theologischen Lehrer, sondern auch ein persönliches Vorbild für das Leben eines Christen. Paulus‘ unerschütterlicher Glaube, seine Hingabe an die Verkündigung des Evangeliums und sein Leiden für Christus dienten Luther als Beispiel für das eigene Leben und für das Leben der Gläubigen.
  • Verfolgung und Standhaftigkeit: Luthers eigenes Leben und seine Herausforderungen als Reformator spiegelten in gewisser Weise die Kämpfe wider, die Paulus in seinem Dienst erlebte, was Luther noch stärker mit Paulus verband.

Fazit:

Paulus‘ Theologie ist in der lutherischen Lehre allgegenwärtig. Seine Lehren über Gnade, Glauben, das Gesetz und das Evangelium, Freiheit und das Leben im Geist bilden das Fundament der lutherischen Theologie und prägen bis heute das Verständnis von Christentum in der lutherischen Tradition. Martin Luther selbst betrachtete Paulus als den wichtigsten biblischen Theologen und als jemanden, dessen Schriften eine klare und kraftvolle Botschaft des Evangeliums vermitteln, die die Kirche immer wieder erneuern kann.

Dieser Artikel wurde inspiriert von diesem englischen Artikel.

Beitragsbild: Apostel Paulus von Bartolomeo Montagna 1482



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