Unser großes Erbe - Der Apostel Paulus

Unser Großes Erbe: Der Apostel Paulus

Apostel Paulus ca. 5–64 n. Chr.

Einst ein Verfolger der Kirche, wurde er von Christus dazu berufen, die Frohe Botschaft mit den Heiden – und durch die Jahrhunderte hindurch auch mit uns – zu teilen.

In dieser Reihe wird die lutherische Historikerin Molly Lackey die Geschichte der Kirche nachzeichnen, von der Zeit der Apostel bis ins zwanzigste Jahrhundert. Als Leib Christi geht unsere Geschichte über Zeit, Land und Staatsbürgerschaft hinaus: „Gottes Wort ist unser großes Erbe.“

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein früher Christ, ein wirklich früher Christ. Sie haben Christus mit eigenen Augen gesehen oder kennen jemanden persönlich, der Ihn sah. Sie haben sich auf den harten Weg der Nachfolge begeben und sind entschlossen, Ihm zu folgen. Sie haben von Verfolgungen gehört – vielleicht haben Sie sogar selbst gesehen, wie Stephanus zu Tode gesteinigt wurde! Freunde, Familienmitglieder und Nachbarn reagieren mit Verwirrung, Enttäuschung und Abneigung auf Ihren Entschluss, dieser vermeintlich neuen Glaubensrichtung zu folgen. Eines Tages kommen Sie zur Versammlung und sehen ein bekanntes Gesicht, können es aber nicht sofort einordnen. Jemand verkündet, dass dies Paulus sei, ein Prediger und Missionar Christi, der Ihre Versammlung besucht – und plötzlich fällt es Ihnen ein: Das war Saulus, der Verfolger der Christen.

St. Paulus wurde als Saulus geboren, ein Jude aus dem Stamm Benjamin und römischer Bürger der Stadt Tarsus in der römischen Provinz Kilikien, im heutigen Gebiet der Türkei, um das Jahr 5–10 n. Chr. Saulus nahm seinen Glauben und dessen Gebote sehr ernst und lebte sie streng, was ihn jedoch in Konflikt mit Christus und Seiner Kirche brachte.

Vom Verfolger Christi zum Apostel Christi

Zum ersten Mal hören wir von Saulus beim Tod des Heiligen Stephanus, des ersten Märtyrers, um das Jahr 34–36 n. Chr. Stephanus hatte mit einer Gruppe von Juden debattiert, darunter vielleicht auch Paulus; die Schrift sagt, dass Stephanus mit „denen aus Kilikien und Asien“ stritt (Apostelgeschichte 6,9). Sie ließen Stephanus festnehmen und vor den Hohen Rat bringen, um ihn wegen Gotteslästerung anzuklagen. Nachdem Stephanus eindringlich dargelegt hatte, wie Christus die Schriften des Pentateuch erfüllte, begann der Rat, ihn zu steinigen – und Saulus war bei diesem Ereignis anwesend: „Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes namens Saulus nieder“ (Apostelgeschichte 7,58). Tatsächlich „stimmte Saulus seiner Hinrichtung zu“ (8,1) und setzte seine Verfolgung der Kirche mit äußerster Härte fort (8,3).

Doch wie wir wissen, wandte sich Saulus von seiner Verfolgung der Christen ab und bekehrte sich zum Christentum, wie es in Apostelgeschichte 9,1–19 berichtet wird. Saulus, „der noch Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn schnaubte,“ war auf dem Weg nach Damaskus. Dort suchte er in den Synagogen gezielt nach Christen, um sie gefangen zu nehmen und nach Jerusalem zu bringen, vermutlich zur Verurteilung und Hinrichtung wie bei Stephanus. Doch vor den Toren der Stadt wurde er von einem hellen Licht und der Stimme Christi überwältigt, die rief: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?“ Christus wies ihn an, in die Stadt zu gehen, obwohl er nun geblendet war. (Es sei erwähnt, dass Jesus hier und auch an anderer Stelle Saulus nicht in „Paulus“ umbenannte. Das Buch der Apostelgeschichte wechselt erst in Apostelgeschichte 13,9 von Saulus zu Paulus. Viele Juden hatten sowohl einen hebräischen als auch einen griechischen oder lateinischen Namen – „Paulus“ leitet sich vom lateinischen paulus, „klein“, ab.)

In der Zwischenzeit erschien der Herr auch einem Christen namens Ananias in einer Vision und wies ihn an, Saulus aufzusuchen. Ananias war unsicher – er hatte von diesem gefürchteten Verfolger nur Schlechtes gehört! Doch Jesus bestand darauf: „Geh nur hin; denn dieser ist mir ein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen vor Heiden und Könige und vor die Kinder Israel trage. Denn ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen.“ Ananias fand Saulus und legte ihm die Hände auf, um ihn von seiner Blindheit zu heilen – und Paulus stand sofort auf und ließ sich taufen.

Das Evangelium nah und fern verkünden

Paulus verkündete das Evangelium in den Synagogen von Damaskus und Jerusalem. Seine plötzliche öffentliche Bekehrung zog jedoch offensichtlich den Zorn seiner ehemaligen Mitstreiter auf sich, die ihn nun töten wollten. Also wurde Paulus zu seinem eigenen Schutz nach Tarsus geschickt, wo er bis etwa 46 n. Chr. blieb. Dann ging er zusammen mit dem Missionar Barnabas nach Antiochia, wo sie ein Jahr lang lehrten. Anschließend kehrten sie nach Jerusalem zurück, um den Christen dort in einer Hungersnot zu helfen (Apostelgeschichte 11,25–30).

Von dort aus begab sich Paulus auf seine erste Missionsreise zu den Heiden, nach Zypern und in die Region Galatien. Paulus reiste schließlich durch Südosteuropa und den Nahen Osten bis nach Griechenland, Ephesus, Korinth, Jerusalem und Rom, wobei er auf Malta Schiffbruch erlitt. Neben diesen Reisen und seiner Missionsarbeit nahm Paulus auch am Apostelkonzil in Jerusalem teil, wie in Apostelgeschichte 15 berichtet wird. Dort stritt er zusammen mit Barnabas für die Befreiung der heidnischen Bekehrten vom jüdischen Gesetz, besonders von den Speisevorschriften und der Beschneidung. Paulus argumentierte, dass die Christen allein durch Jesus gerettet werden und nicht durch das Halten des Gesetzes.

Trotz seines vollen Reiseplans schrieb Paulus auch zahlreiche Briefe an die jungen Gemeinden im Mittelmeerraum. Die Datierung dieser Briefe ist unklar, doch wird allgemein angenommen, dass der Galaterbrief oder der erste Thessalonicherbrief zu seinen frühesten Schriften gehören. Manche Wissenschaftler (wie jene, die während des „Walkouts“ das Concordia-Seminar der LCMS verließen) behaupten, Paulus habe nicht alle diese Briefe verfasst, und lehnen sogar einige seiner Lehren kategorisch ab. Ungeachtet wechselnder akademischer Meinungen bekennen wir weiterhin die Autorenschaft, Irrtumslosigkeit und Autorität von Paulus’ Schriften, die 1500 Jahre später Martin Luther großen Trost und Klarheit in der Lehre brachten und auch heute vielen eine Stütze im Glauben sind.

Paulus wurde aufgrund seines Glaubens oft gefangen genommen. Als er um das Jahr 60 n. Chr. in Rom ankam, wurde er unter Hausarrest gestellt (Apostelgeschichte 28,16). Die Schrift erwähnt nicht, was danach geschah, doch Klemens von Rom, ein Zeitgenosse von Paulus, und andere frühe Kirchenväter berichten, dass Paulus als Märtyrer starb. Da Paulus römischer Bürger war (Apostelgeschichte 23,27), wurde er vermutlich enthauptet – die einzige legale (und humanste) Form der Hinrichtung für römische Bürger. Der berüchtigte Kaiser Nero, ein Verfolger der Christen, ist der Caesar, an den Paulus in Apostelgeschichte 25,1–12 appellierte. Der frühe Kirchengeschichtler Eusebius berichtet, dass Paulus während Neros Verfolgung der Christen nach dem Großen Brand von Rom, vermutlich um das Jahr 64 n. Chr., hingerichtet wurde. Die Geschichte von St. Paulus beginnt mit dem Tod eines Christen und endet ebenfalls mit dem Tod eines Christen. Saulus, der Verfolger der Christen, wurde zu St. Paulus, der das Evangelium in die heidnische Welt brachte – und damit indirekt zu den meisten von uns heutigen Lutheranern.


Wir bedanken uns bei The Lutheran Witness für die freundliche Genehmigung, diesen Artikel hier in deutscher Übersetzung veröffentlichen zu dürfen.

Den Original-Artikel können Sie hier lesen: Our Great Heritage: Paul the Apostle

Der nächste Artikel aus dieser Serie wird am 15. Dezember hier erscheinen.



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